Papst Benedikt XVI. in Deutschland – oder: vom Leiten der Kirche
15 Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. 19 Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
St. Johannes 21,15-19
2011 besucht der Papst Deutschland. Das ist Anlaß, grundlegende Gedanken über die Leitung der Kirche zu formulieren. Es geht um eine Stellungnahme, die ausweist, worauf sie sich gründet. Viele andere Aspekte sind zu beachten, denen hier nicht im einzelnen vollständig nachgegangen werden kann. Es gibt eine maßlose Kritik von einzelnen und von Gruppen am Papst, die ihm die Anerkennung und den Respekt verweigern, die sie aber für sich selbst sehr wohl beanspruchen. Geradezu kindisch mutet die Weigerung von Abgeordneten des Bundestages an, den Papst bei seiner Rede im Reichstag anzuhören. Indem ich jemandem zuhöre, ihn respektvoll empfange, stimme ich seiner Haltung nicht automatisch zu. Merkwürdig mutet auch die Ungleichbehandlung an: wenn der Dalai Lama Deutschland besucht, geht die Anrede „heiliger Vater” auch denen flott von den Lippen, die es dem Papst gern verweigern. Wenn der Papst kritisiert wird, geht es oftmals gegen das gesamte Christentum, es geht gegen jeden Maßstab Gottes. Da nützt es dann nichts, wenn wir behaupten, wir seien ja nicht römisch-katholisch. Aber auch unter Evangelischen, ja unter Lutheranern gibt es eine Sehnsucht nach dem Oberhirtenamt des Papstes. „Wenn wir den hätten, würde alles besser sein” – so sagen manche.
Von Benedikt dem XVI. wird gesagt, er sei der lebendige Petrus, der Stellvertreter Christi, rechtmäßiger oberster Bischof der Christenheit, Heiliger Vater. Ist wirklich der lebendige Petrus im September 2011 in unserem Land? Haben wir dadurch etwas, was nach der Stiftung Jesu und nach göttlichem Recht in der Beauftragung des Simon Petrus durch Jesus wurzelt? Was also auch uns auf die Beine hätte bringen und unsere fromme Aufmerksamkeit erwecken sollen?
Nein. Der römische Papst ist nicht der lebende Petrus, und es gibt keine Stiftung Jesu, kein göttliches Recht, nach dem wir ihm, dem Bischof von Rom, untertan sein und auf ihn hören müßten. Nach diesem runden Nein muß aber auch gesagt werden: Wir haben vor dem gegenwärtigen Papst, wie auch manchem seiner Vorgänger, durchaus Achtung. Nach allem, was Menschenaugen sehen können, ist er ein frommer Mann, ein fleißiger Beter, ein fast unermüdlicher Arbeiter, besorgt um den christlichen Glauben – wie die Kirche Roms ihn versteht – in der heutigen Welt. Auch ist er in der Begegnung mit vielen Menschen aufrichtig, stark und zugleich freundlich-liebenswürdig, taktvoll und gewinnend. Er ist wissenschaftlich hochgebildet, nicht nur auf dem Gebiet der Theologie. Seine beiden Bücher „Jesus von Nazareth” Band I und II, um nur weniges zu nennen, sind außerordentlich bedenkenswert. Von Seiten der Evangelischen ist hinsichtlich dieses Themas heute nichts, nichts, nichts Nennenswertes zu berichten.
Ganz gleich, wie man zu dem Anspruch der römischen Päpste steht, nach göttlichem Recht die Oberbischöfe über die gesamte Christenheit zu sein, – diese Päpste lenken und vertreten in jedem Falle die größte der konfessionellen Teilkirchen. Sie haben weltweit bedeutenden Einfluß. Darum kann uns, was von Rom ausgeht, nicht gleichgültig sein. Es berührt und trifft uns so oder so mit. Sind doch die getrennten Teile der Christenheit im Verborgenen miteinander verbunden wie kommunizierende Röhren, wie ein System von Gefäßen, die selbständig nebeneinander zu stehen schein, aber unterschwellig werden sie aus derselben Quelle gespeist. Jede Krankheit oder Schwäche des Glaubens in der einen Konfession wirkt sich auf die anderen christlichen Konfessionen aus; jede Reinigung, jeder Aufbruch, jede Stärkung des Glaubens an einer Stelle reinigt, bewegt, stärkt das Ganze. Darum begrüßen wir alles und betrachten es als ein Geschenk Gottes auch an uns, was von einem Papst her, was in der römischen Kirche an Gutem und Segensreichem geschieht, etwa, daß auch dieser Papst die unwandelbaren heiligen Gottesgebote neu zur Geltung bringen und verbindlich machen möchte, – seine Stellungnahme zur Frage der Abtreibung ist glasklar und kann die Gewissen wecken. Oder, wie Benedikt XVI. von Jesus Christus spricht, ewigem Gottessohn und wahrem Menschen, dem Gekreuzigten und Auferstandenen; Ihn bezeugt er als das Heil der Welt. Auf der anderen Seite macht uns dennoch vieles besorgt, was nach wie vor an kranker und falscher Tradition mitläuft und zum Teil neu bestärkt wird, obwohl es geeignet ist, die Heilandsehre Christi zu trüben und das Vertrauen der Gläubigen auf Christus allein zu beirren. Auch wenn Benedikt XVI. etwas dagegen tun wollte, könnte er es gar nicht, die falsche Tradition ist eisern und unabänderlich festgeschrieben.
Dennoch: Dieser Papst ist viel evangelischer als viele, die sich evangelisch nennen, und sind’s doch nicht. Denn das sind keine evangelischen Theologen mehr, die mit keinem Wort mehr etwas darüber zu sagen haben, daß der Zorn Gottes über alle Sünde und Ungerechtigkeit der Menscnen zu fürchten ist. Das sind keine Pfarrer und Christen im Sinne der lutherischen Reformation, die von der Dringlichkeit des Friedens mit Gott nichts mehr zu sagen wissen, nur noch vom irdischen Frieden und der Mitmenschlichkeit. Sie haben sich einen bloßen Vorbild-Jesus zurechtgemacht, dessen Beispiel es in die heutigen Verhältnisse zu übertragen gelte. Einen Heiland der Sünder – brauchen sie nichtl Den starken Geleitsmann durchs Sterben und durchs Gericht zum ewigen Leben – wollen sie nicht! Was sind das für Evangelische! Schade um den schönen Namen, der doch vom Evangelium, der Rettungsbotschaft, abgeleitet ist! – Dieser Papst ist gewiß evangelischer; denn er redet von Christus vor allem als von unserem Frieden mit Gott.
Das freut und stärkt uns. Wir dürfen daran auch denken, wenn wir für die ganze Christenheit auf Erden beten. Es muß nicht wörtlich ausgeführt sein und enthält dennoch auch dies: daß der Herr der Kirche auch den Bischof von Rom dahin führen möge, Jesus Christus immer heller, immer kraftvoller und ausschließlicher als den Heiland und das Heil vorzustellen.
Doch nun zurück zu unserer Eingangsfrage, ob der römische Papst der lebende Petrus sei, der Nachfolger Petri, und ob die ganze Christenheit ihm unterstellt sein und auf ihn vorrangig hören sollte. Rom sagt Ja und begründet den päpstlichen Anspruch vor allem mit Jesusworten an Simon Petrus, wie sie außer in unserem Text in Matthaus 16 und Lukas 22 enthalten sind. In Matthäus 16 antwortet Jesus auf das Christusbekenntnis, das Simon im Namen aller Jünger ausspricht: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn”,- Jesus antwortet: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und Ich sage dir auch: Du bist Petrus (Felsenmann), und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.” Auf jedes Wort dieses Textes einzugehen, ist jetzt unmöglich, auch unnötig; denn für unsere Frage tritt klar genug hervor: Jesus nennt den Simon um seines Bekenntnisses willen Petrus, Felsenmann. Er spricht ihm für die Anfangszeit der Gemeinde nach Ostern und Pfingsten eine führende Rolle zu. Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen: dein Bekenntnis, dein Zeugnis, Petrus, wird grundlegend wichtig sein. Die anderen Zeugen und Bekenner werden sich um dich sammeln und mit dir übereinstimmen. Du aber wirst allen voran vielen das Reich Gottes aufschließen durch die Predigt von Jesus Christus. Du wirst Sünden vergeben und behalten im Namen deines Herrn. Du wirst an herausragender Stelle die Gemeinde versorgen und leiten mit dem Wort des Lebens.
Simon Petrus hat es getan. Der Herr der Kirche hat ihn dazu stark gemacht. Petrus hat einige Jahre lang die Muttergemeinde der Christenheit, die von Jerusalem, geleitet, auch von Jerusalem aus Mission betrieben und überwacht. Dann wurde es in Jerusalem für ihn zu gefährlich; er ging ganz in die Mission, und zwar war Petrus, nach Absprache mit Paulus, vor allem für Mission unter den Juden zuständig, Paulus vor allem für Mission unter den Heiden. Die Muttergemeinde der Christenheit aber, Jerusalem, wurde fortan von dem Herrenbruder Jakobus geleitet, und dem war selbst ein Petrus mit seiner Missionsarbeit unter den Juden Rechenschaft schuldig.
Nach allem, was wir aus dem Neuen Testament und aus dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte der Urchristenheit wissen – das meiste und Zuverlässigste wissen wir aus der Apostelgeschichte und den Briefen des Apostels Paulus -, scheint man das Jesuswort vom Felsen an Petrus in der apostolischen Zeit nicht einmal so verstanden zu haben, als sei dem Petrus dadurch bis zu seinem Lebensende die Leitung der werdenden Gesamtkirche aus Juden und Heiden übertragen. Vielmehr: Fels des Anfangs sollte Petrus sein! Erst recht ist auch nicht die leiseste Andeutung zu entdecken von einem Petrusamt in Fortsetzung nach dem Tode des Petrus oder gar, daß solch ein Amt an den Bischofssitz der Stadt gebunden sein solle, in der Petrus seinen irdischen Lauf vollenden würde. Die ganze große Konstruktion von dem römischen Bischöfen als rechtmäßigen Nachfolgern Petri kam riohtig erst im 3. Jahrhundert nach Christus in Gang und blieb noch lange umstritten. Sie kann sich im Ernst nicht auf die Bibel berufen. Die wahren Quellen liegen woanders, z.B. im Glanz und Ansehen der alten Metropole des römischen Weltreichs; in der Tatsache, daß zwei Apostel, Petrus und Paulus, in Rom zu Märtyrern und dort auch begraben wurden; in der frühen großen Bedeutung der Christengemeinde von Rom fur die Länder des Westens; bald genug in einem gewissen kirchlichen Machthunger der römischen Bischofe. Wir müssen doch die Ersten sein!
Sehen wir uns ganz kurz Lukas 22 an! Da sagt Jesus im Zusammenhang mit der Ankündigung der Verleugnung zu Petrus: „Wenn du dermaleinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder!” Auch hier wird dem Simon Petrus eine besondere Aufgabe zugewiesen: Wie er der Repräsentant und Sprecher der Jünger war in Jesu Erdentagen, wie er jämmerlicher als die anderen scheitern wird, so soll doch gerade er nach Ostern und Pfingsten zur Säule für die anderen werden, zum ersten und wichtigsten Zeugen des Auferstandenen, der die anderen aufrichtet und mitreißt. Wie lange, davon verlautet nichts. Erst recht nichts von einer geordneten Nachfolge in solch einmaligem und besonderem Dienst.
Und nun unser Evangellum in Johannes 21! Man muß schon Johannes 20, Vers 19 und folgende, in Gedanken mit dabeihaben, um nicht aus den Augen zu verlieren, wie die besondere Petrusaufgabe eingebettet ist in die allen Aposteln verliehene Vollmacht. Alle Apostel begrüßt der Auferstandene mlt dem Friedensgruß. Für alle erneuert er das Apostelamt und spricht ihnen Geist und Kraft zu, Sünden zu vergeben und Sünden zu behalten. „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.” Da ist allen Aposteln das Hirten- und Weideamt anvertraut. Daß es dem Simon Petrus dann noch einmal, ja dreimal, besonders stark und nachdrücklich anbefohlen wird, hängt mit der Schande der dreimaligen Verleugnung des Petrus zusammen und ist zugleich darin begründet, daß der Auferstandene auf Simon Petrus die Rolle des Vorangängers vor den anderen Aposteln zukommen sieht. Von einer Fortsetzung einer solchen Vorangängerrolle auch hier keine Silbe!
Das Amt der Apostel überhaupt konnte und kann garnicht fortgesetzt oder weitergegeben werden. Denn die Apostel sind von Jesus selber direkt erwählt, berufen und gesandt: sie haben den Auferstandenen gesehen: auf ihr grundlegendes Zeugnis gründet sich alle spätere Predigt; aller Aufbau, alle Ausbreitung der Gemeinde Jesu lebt davon. Zu der einmaligen apostolischen Grundlegung der Kirche hat auch der besondere Dienst des Petrus gehtört, dem Evangelium Bahn zu brechen und die anderen Apostel und Zeugen um sich zu scharen.
Nicht das Apostelamt ist weitergegangen, wohl aber der Auftrag, den Christus seinen Aposteln gab und in ihnen der ganzen nachfolgenden Kirche: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe! Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!” (Matth.28) Dieser Auftrag erlischt nicht, bis der Herr in Kraft und Herrlichkeit zur Vollendung des Reihes Gottes kommt. Das hat schon die Apostel veranlaßt, den Gemeinden Älteste, Hirten, Bischöfe zu geben, die nach dem Vorbild des apostolischen Dienstes die Gemeinden leiten und sie mit dem Wort und den Gaben des Herrn versorgen sollten. Von einem „Petrus – Amt” in Fortsetzung aber, das auf Jesu Stiftung oder apostolischer Einrichtung und Weisung beruhen würde, sagt die Heilige Schrift nichts, sagen auch die älteren Quellen der Kirohengeschichte nichts. Die Aufgliederung des Dienstes im Hirtenamt der nachapostolischen Kirohe, Überordnung, Unterordnung, in unserer Sprache: Pfarrer, Superintendenten, Bischof, – solche Gliederung ist menschlichen und nicht göttlichen Rechts.
Darum hätte es auch dann erst wieder einen Sinn, im Ernst über eine Anerkennung des römischen Papsttums zu verhandeln, wenn Rom vorab einräumen würde: Es muß nicht so sein von Christus her, daß wir den Vorsitz haben. Das Papsttum gehört nicht zum Wesen der Kirche, ist auch kein notwendiger Bestandteil des Hirtenamtes in der Kirohe. Wir laden euch lediglich ein, mit uns zu überlegen, ob nicht ein Bischof – warum nicht der von Rom? – den Vorsitz haben könnte, um der Ordnung und der Liebe willen, auch um hinzuweisen auf die verborgene Einheit der Kirche in Christus, die am Jüngsten Tage siohtbar werden wird: eine Herde unter einem Hirten!
Freilich müßten dann schier unzählige Fragen noch mit- und weiterbedacht werden, die wir jetzt nicht stellen können. Nur andeutungsweise sei eine Doppelfrage erwähnt: Wie stellt Rom, wie stellt sich das heutige Papsttum zu dem schrecklichen Geheimnis der Blindheit und Taubheit, durch das in der Reformationszeit ein ernsthaftes Hinhören auf den größten Schrifttheologen, den Gott seit Jahrhunderten seiner Kirche gab, verhindert wurde? Wann will Rom den Fluch der Verwerfung wegnehmen von der Lehre, die für Luther der Artikel war, mit dem Kirche steht und fällt: daß Christus allein, im Glauben ergriffen, uns vor Gott vollkommen gerecht macht!?
Wir müssen diese Fragen aber jetzt einfach beiseite lassen; denn nun sind ja doch wohl ein paar Worte der Lehre, des Trostes, der Weisung von unserem Text, Joh.21, her zu sagen, nachdem wir, ungewöhnlich genug, aber aus hochaktuellem Anlaß, uns so lange bei der Frage nach dem lebenden Petrus aufgehalten haben.
Von der Wiederbetrauung des Simon Petrus mit dem Apostelamt durch den Auferstandenen,- von daher kann uns aufgehen für den Dienst im Hirtenamt der Kirche und für allen Dienst überhaupt, den Christen für ihren Herrn und an ihren Brüdern und Schwestern tun: Christus zu dienen, das geht nur aus der Vergebung der Sünden! Ihm zu dienen, ist Seelsorge, Weiden, nicht Herrschen!
Und wer Ihm dient, der soll auch bereit werden zum Leiden, zum Opfer des Eigenwillens! Das Gespräch des Auferstandenen mit Simon Petrus beschämt den Simon tief. „Simon, des Johannes Sohn,” redet der Herr ihn dreimal an. Der Name Petrus, Fe1senmann, wird bewußt übergangen; denn dieser Fels hatte sich als brüchig erwiesen. Jesus erwähnt zwar nicht ausdrücklich die Verleugnung des Petrus. Aber Simon Petrus hat wohl verstanden, warum der Herr ihn dreimal nach seiner Liebe zu ihm fragt, das erste Mal sogar in der Steigerungsform: „Hast du mich lieber, als mich diese (die anderen Jünger) haben?” Petrus hatte ja, den anderen sich überlegen dünkend, beteuert: „Und wenn sie alle an dir irre werden – ich nicht! Ich will mein Leben für dich lassen!”
Schon nach dem Hahnenschrei am Karfreitagmorgen war dem Simon Petrus aufgegangen, wie sohrecklich er sein inneres Konto überzogen hatte; und nun erst recht, unter der ernsten und güitigen Seelsorge des Herrn, vergehen ihm alle großsprecherischen Beteuerungen. Petrus stellt das Urteil, wie es um sein Herz steht, dem Herrn anheim und bejaht dann in Demut und Festigkeit die Frage des Herm nach seiner Liebe zu ihm: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich 1iebhabe!” Als Jesus zum dritten Mal fragt, wird Petrus wohl traurig; doch seine Antwort ist ohne jedes Aufbegehren, ohne die leiseste Spur von Selbstrechtfertigung: „Herr. du weißt aIle Dinge; du weißt, daß ich dich liebhabe.” Vor dir kann und will ich nichts verbergen; aber sieh doch, wie mein Stolz und mein eigenmächtiges Kraftgefühl zerbrochen sind, und sieh, wie ich dir vertraue, an dir hänge! Stoß mich nicht wegl Petrus hat Buße getan mit einer Traurigkeit, wie sie der Geist Gottes zu echter Umkehr schenkt, und der Herr hat durch ein tiefes Beschämungsgericht hindurch dem Jünger bedingungslos vergeben. Da wird zwar nicht förmlich eine Absolution ausgesprochen, aber dreimal: Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe! In diesem Auftrag ist die Absolution mitenthalten.
Wenn wir zu irgendeinem Dienst für Christus brauchbar werden und bleiben wollen, werden wir uns auch die Frage nach der Liebe zu unserem Herrn stellen lassen müssen. Unsere Faulheit und Armseligkeit im Dienst für Christus, unsere Furcht, unser Zögern und die vielen Verfehlungen und Verkehrtheiten, die wir im einzelnen machen, wenn wir doch endlich mal was tun, – es rührt alles daher, daß wir unserem Herrn so mangelhaft vertrauen, Ihn so schwach und halbherzig liebhaben. Wir möchten’s wohl besser und stärker tun; aber unsere eigene Kraft gibt das nicht her. Wenn wir nur unser Grundmanko erkennen, den zaghaften Glauben, die schwache Liebe, werden wir auch keine einzelnen Fehler und Sünden mehr zu vertuschen versuchen, – vor unserem Herrn und von Ihm lassen wir all das Unsere aufdecken und bitten um Vergebung und um größere Liebe. Er wird uns beides geben. So, so allein, werden wir geschickt zum Dienst für Christus: aus der Vergebung der Sünden und dem Zustrom seiner Liebe!
Ihm zu dienen in seiner Gemeinde, das bedeutet Weiden, Seelsorge üben, nicht Herrschen! – Das ist gemäß dem Wort Jesu an Simon Petrus vor allem den Hirten, den Pfarrern und Bischöfen, gesagt: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!” Die Gemeinde ist seine Herde, nicht unser Herrschaftsgebiet, wo wir uns profilieren, schon garnicht unser Jagdrevier, wo wir Beute machen und uns bereichern dürften. Wir sind nur Beauftragte und Diener des Herm. Er ist und bleibt der Herr der Herde, der gute Hirte, der Erzhirte. Seine Liebe gilt es weiterzugeben.
Freilich gehört zum Weiden auch das Wachen! Ein Diener Jesu läßt in der Gemeinde nicht alles gehen, wie’s geht, oder alles durchgehen. Ein rechter Hirte übt auch Gemeindezucht. Binden, Sünden Behalten muß gewagt werden. Ein Pfarrer muß auch sagen konnen: Es ist vor Gott nicht recht, was du sagst und tust. Du verwirrst und ärgerst die Gemeinde Gottes. Kehre um, oder du läufst in Gottes Gericht!
Vor allem aber ist Weiden: Seelsorge üben, für alle die Schrift aufschlagen und zum Reden bringen, predigen, Gottes Wort austeilen, Sakramente spenden, mit der Gemeinde und für sie beten.- Dies Werk geschieht freilich durch sündige Menschen, durch begnadigte Sünder und zurechtgebrachte Versager, wie Simon Petrus einer war. Doch ist der Dienst solcher gedemütigten Diener brauchbar, weil der Herr seIber in den Mitteln seiner Gnade am Werk ist.
Und zuletzt: Weiden bringt Leiden! Simon Petrus wird es auf ganz besondere Art erfahren. Er wird nicht mehr selber seinen Weg bestimmen; der Herr wird über ihn verfügen, und Petrus wird sich fügen. Er wird in Jesu Dienst wiederholt verhaftet werden, auch Schlimmeres erleben. Er wird zuletzt die Hande ausstrecken, sagt der Auferstandene ihm an, d. h. Petrus wird seine Hände ans Kreuzesholz binden lassen und hinausgeführt werden zur Richtstätte. Dort wird man ihn annageln und seinem Herrn ähnlich machen. So, buchstäblich blutig und schändlich, wlrd Petrus seinem Herrn Jesus Christus nachfolgen.- Simon Petrus ist gekreuzigt worden in Rom bei der Verfolgung, die der Kaiser Nero nach dem Brand der Stadt über die Christen in Rom verhängte. Im Hof des hochpriesterlichen Palastes in Jerusalem hatte Simon Petrus selnen Herrn ver1eugnet, um sich das Kreuz zu ersparen. Bei der Verfolgung in Rom hat er das Kreuz angenommen, ist nicht geflohen, sondern fest geblieben. Jesus Christus gab ihm die Gnade, bis ins Sterben ein wirklicher Petrus zu sein, ein Felsenmann des Glaubens.
Nur wenigen ist es aufgegeben, durch das Opfer des Lebens Gott zu verherrlichen. Ob wir es könnten, wenn unser Herr uns das zugedacht hätte? Er möchte uns aber auf alle Fälle auch jetzt schon dahin bringen, daß wir lernen, unseren Eigenwillen aufzugeben, der quer zum Willen Gottes steht, und unsere Bekenntnis- und Leidensscheu, unsere spießige Furcht vor Unannehmlichkeiten, die uns der Glaube bringen könnte, die doch in unserem kleinen Glücksprogramm nicht vorgesehen waren. Geben wir uns solchem Lernprozeß hin, damit wir feststehen im Glauben und im Dienst für Christus, wenn böse Stunden kommen!
Zum Dienst im Hirtenamt und überhaupt zum allgemeinen Christendienst macht uns geschickt und fähig die opferbereite Liebe, die aus dem Glauben kommt. Um die wollen wir bitten: Herr, wie du willst und wohin du willst! Wenn du uns führst, sind wir in jedem Fall in der Sorge des guten Hirten, und niemand und nichts kann uns aus deiner Hand reißen!